Im Bunker im Frauenwald (Bananenbau) hat der Holzwurm zugeschlagen. Jetzt heißt es Stangen schleifen mit (von links) Alexander Hätsche, Barbara Müller-Hahl und Wolfgang Müller-Hahl
Der Landsberger Wolfgang Müller-Hahl ist seit 20 Jahren die treibende Kraft hinter dem Pandurenlager. Warum die Vorbereitung heuer richtig stressig ist. VON SILKE FELTES
Alle vier Jahre gibt es bittere Tränen. Rund 48 Kostüme, ergo Plätze, gibt es im Pandurenlager. Doch mehr als dreimal so viele Buben und Mädchen wären gerne Teil des jüngsten der vier Lager beim Ruethenfest. Über zehn Tage treffen sich hinter dem Amtsgericht die Sechs-, Sieben- und Achtjährigen und zelebrieren das wilde Leben Mitte des 18. Jahrhunderts, als Kaiserin Maria Theresia zu ihrer Unterstützung auf die Panduren, eine gefürchtete Söldnertruppe aus dem Balkan, zurückgriff.
Es geht gesittet zu
Dass es nicht arg so wild zugeht, dass Buben und Mädchen gleichberechtigt mitspielen, dafür sorgten seit genau 20 Jahren Wolfgang Müller-Hahl und sein Team. Die Kinder sollen die Geschichte in ihrer ganzen Grausamkeit schon kennen, im Lager selbst geht es tagsüber allerdings eher ruhig und gesittet zu, da wird gebastelt, gesungen, gespielt. Erst beim Umzug durch die Stadt dürfen die Buben mit ihren Holzgewehren laut die Gassen stürmen, während die Mädchen, die Jesuiten und der Bürgermeister als Gefangene auf den Wagen sitzen.
Der Holzwurm hat zugeschlagen
Wolfgang Müller-Hahl, 65, und Sohn des langjährigen Landrats, arbeitet tagsüber als Ingenieur und Hochspannungstechniker bei den Lechwerken. Seine gesamte Freizeit allerdings gehört dem Pandurenlager. Unzählige Abende und Wochenenden bereitet er vor, plant, konstruiert, baut. Seit einiger Zeit hat er auch endlich die gewünschte Kreissäge im eigenen Garten stehen. 150 Stangen Holz von je fünf Metern Länge mussten gesägt werden. Denn der Holzwurm hatte sich in den vergangenen zwei Jahren in der Lagerstätte im Frauenwald breitgemacht und das gesamte Panduren-Equipment musste vernichtet und neu gebaut werden. Da sind, wie immer, die ganze Familie sowie Freunde und Bekannte involviert.
Als junger Kerl ist Wolfgang Müller-Hahl selbst einmal Herold gewesen, „das prägt!“ Seine Söhne Manuel (30) und Markus (26) sind ebenfalls seinerzeit als Ruethenbuam mitgelaufen, „und selbstverständlich hilft man da, wo man kann.“ Irgendwann Mitte, Ende der 1990-er kam ein Anruf vom damaligen Ruethenfestvorsitzenden Hermann Helminger: Ob er sich vorstellen könne, die bis dahin nur mitlaufenden Panduren zu betreuen? Und kurz darauf: Ob er sich nicht auch ein eigenes Pandurenlager vorstellen könne?
Er bekam freie Hand
Müller-Hahl erbat sich Bedenkzeit, besprach sich mit der Familie und sagte schließlich zu. Er bekam freie Hand für seine Vorstellungen: keine Gewaltverherrlichung, keine Übernachtung, Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Dann legte er los. „Es gab ja so gut wie nichts, nur zwei Kutschen und die Kostüme.“ Sie liehen sich Zelte, erhielten großzügige Unterstützung vom Lionsclub und bauten alles über die Jahre gemeinsam auf, Ehefrau, Schwager, Schwestern, Kinder, befreundete Schreiner.
Das Pandurenlager, wie es heuer bereits zum fünften Mal stattfindet, ist also der Familie Müller-Hahl zu verdanken. Im Sommer 1999 steht „mit viel Aufwand, viel Liebe und viel Improvisationstalent“ das erste Pandurenlager. Mittlerweile nennen die Panduren zwei große Schmuckzelte, ein Küchenzelt und drei Lagerzelte ihr eigen, die in den Jahren zwischen den Festen mäusesicher in einer Doppelgarage verstaut sind. Die Holzteile dagegen, die im Lager im Frauenwald aufbewahrt werden, hat es erwischt. Zäune, Ställe, Fahnenstangen, Leiterwagen, alles musste dieses Jahr neu gebaut werden. „Heuer war es wirklich ein bisschen stressig“, so Müller-Hahl.
Zwergschafe und Hühner
Zwei Tage vor Beginn des Ruethenfests wird das Pandurenlager aufgebaut, dann kommen die Zwergschafe und die Hühner in ihre Ställe. In der Mitte, wie immer, eine große Feuerstelle, jedes Kind bekommt ein ledernes Namensschild, einfache Kleidung. Die tollen Kostüme werden erst während des Festumzuges getragen. Wir werden, so lautet die Ankündigung, „das Lager bewachen, Streifzüge unternehmen, Geschichten am Lagerfeuer lauschen, vor Freude tanzen, gemeinsam essen, basteln, flechten, malen, kegeln, unser Geschick auf dem Balken testen oder auch einfach im Stroh liegen und den wehenden Fahnen im Wind zuschauen.“
Morgens unter der Woche dürfen Kindergärten ein wenig Lagerleben schnuppern. Dort geschieht es oft, sagt Müller-Hahl, dass die ganz Kleinen sagen, dort will ich hin, wenn ich groß bin. Deshalb gebe es eben auch Tränen, wenn es wegen der begrenzten Anzahl an Plätzen doch nicht klappt. Dieses Jahr will Müller-Hahl deswegen das Lager stundenweise auch für andere Kinder öffnen. Pandurenluft für alle.
Foto: © Thorsten Jordan
veröffentlicht am 21. April 2019 im „Landsberger Tagblatt“ / Landsberg